Der Canon Muratori

Der Canon Muratori



Die folgende Übersetzung folgt im wesentlichen der verbesserten Fassung in Hans Lietzmann, »Das Muratorische Fragment und die Monarchianischen Prologe zu den Evangelien« (Kleine Texte, 1, Bonn 1902; zweite Auflage Berlin 1933). Wegen des schlechten lateinischen Texts ist es manchmal schwierig, festzustellen, was der Autor gemeint hat. Deswegen bieten wir in Klammern Alternativen. Erweiterungen des Übersetzers stehen in [ ].
Der Text beginnt abrupt mitten im Satz:


... wobei er doch zugegen war und es so [in seinen Bericht] hingestellt hat.

Das dritte Buch ist das Evangelium nach Lukas. Dieser Arzt Lukas hat es nach Christi Himmelfahrt, da ihn Paulus als einen der Schrift Kundigen herangezogen hatte, nach [allgemeiner] Meinung unter seinem Namen verfaßt. Doch hat auch er den Herrn nicht im Fleische gesehen, und daher beginnt er so, wie es ihm erreichbar war, bei der Geburt des Johannes zu erzählen.

Das vierte der Evangelien, des Johannes, [eines] von den Jüngern. Als ihn seine Mitjünger und Bischöfe aufforderten [aufzuschreiben], sagte er: "Fastet mit mir von heute ab drei Tage, und was einem jeden offenbart werden wird, wollen wir einander erzählen." In derselben Nacht wurde dem Andreas, [einem] der Apostel, offenbart, daß Johannes in seinem Namen alles niederschreiben sollte, und alle sollten es überprüfen.

Und deshalb, wenn auch verschiedene Einzelheiten in den einzelnen Evangelienbüchern gelehrt werden, trägt es doch für den Glauben der Gläubigen nichts aus, da alles durch den einen göttlichen Geist allen [in allen Evangelien] erklärt ist: die Geburt, das Leiden, die Auferstehung, der Umgang mit seinen Jüngern und über seine doppelte Ankunft, erstens verachtet in Niedrigkeit, was geschehen ist, zweitens herrlich in königlicher Macht, was noch geschehen wird. Was Wunder also, wenn Johannes, so sich gleichbleibend, das Einzelne auch in seinen Briefen vorbringt, wo er von sich selbst sagt: Was wir gesehen haben mit unseren Augen und mit den Ohren gehört haben und unsere Hände betastet haben, das haben wir euch geschrieben. Denn damit bekennt er [sich] nicht nur als Augen- und Ohrenzeuge, sondern auch als Schriftsteller aller Wunder des Herrn der Reihe nach.

Die Taten aller Apostel aber sind in einem Buche geschrieben. Lukas faßt für den »besten Theophilus« zusammen, was in seiner Gegenwart im einzelnen geschehen ist, wie er das auch durch Fortlassen des Leidens des Petrus einsichtig klar macht, ebenso durch [das Weglassen] der Reise des Paulus, der sich von der Stadt [Rom] nach Spanien begab.

Die Briefe aber des Paulus, welche es (d.h. von Paulus) sind, von welchem Orte und aus welchem Anlaß sie geschrieben sind, erklären das denen, die es wissen wollen, selbst. Zuerst von allen hat er an die Korinther [geschrieben, denen] er die Häresie der Spaltung verbot, sodann an die Galater, [denen] er die Beschneidung untersagte, sodann aber ausführlich an die Römer, [denen] er die Ordnung (oder: den Plan) der Schriften darlegte und ferner, daß Christus ihr Prinzip (oder: ihr Hauptthema) sei. Über die müssen wir einzeln reden, da der selige Apostel Paulus selbst, der Rede seines Vorgängers Johannes folgend, mit Namen nur an sieben Kirchen schreibt in folgender Ordnung: an die Korinther der erste [Brief, an die Epheser der zweite, an die Philipper der dritte, an die Kolosser der vierte, an die Galater der fünfte, an die Thessalonicher der sechste, an die Römer der siebente. Aber wenn auch an die Korinther und die Thessalonicher zu ihrer Zurechtweisung noch einmal geschrieben wird, so ist doch deutlich erkennbar, daß er nur an eine Kirche schreibt, die über den ganzen Erdkreis verstreut ist. Denn auch Johannes in der Offenbarung schreibt zwar an sieben Kirchen, redet jedoch zu allen. Aber an Philemon einer und an Titus einer und an Timotheus zwei, aus Zuneigung und Liebe [geschrieben]. Diese werden zu Ehren der gesamten Kirche [wegen der Bedeutung für die] Ordnung der kirchlichen Zucht heilig gehalten.

Es läuft auch [ein Brief] an die Laodicäer, ein anderer an die Alexandriner um, auf des Paulus Namen, gefälscht für die Sekte des Markion, und anderes mehr, was nicht in die gesamte Kirche aufgenommen werden kann; denn Galle mit Honig zu mischen, geht nicht an.

Ferner werden ein Brief des Judas und zwei mit der Aufschrift (oder: zwei des oben erwähnten) Johannes in der gesamten Kirche benutzt, und die Weisheit, die von Freunden Salomos zu dessen Ehre geschrieben ist.

Auch von Offenbarungen nehmen wir nur die des Johannes und Petrus an, welche [letztere] einige von den Unsrigen nicht in der Kirche verlesen wissen wollen.

Den Hirten aber hat ganz vor kurzem zu unseren Zeiten in der Stadt Rom Hermas verfaßt, als auf dem Thron der Kirche der Stadt Rom der Bischof Pius, sein Bruder, saß. Und deshalb soll er zwar gelesen werden, aber öffentlich in der Kirche dem Volke verlesen werden kann er weder unter den Propheten, deren Zahl abgeschlossen ist, noch unter den Aposteln, denn er ist [nach] ihrer Zeit.

Von Arsinous aber oder Valentin oder Miltiades nehmen wir überhaupt nichts an, die auch ein neues Psalmenbuch für Markion verfaßt haben zusammen mit dem Kleinasiaten Basilides, dem Stifter der Kataphryger.



Zurück zur NT-Apokryphen homepage